"Reichskuratorium f?r Wirtschaftlichkeit in Industrie und Handwerk": So lautete der vollst?ndige Name der neuen Stelle. Initiatoren waren der VDI, die Vereinigung technisch-wissenschaftlicher Vereine und das Reichswirtschaftsministerium. Den Vorsitz ?bernahm Carl-Friedrich von Siemens.

Der Reichswirtschaftsminister wies alle obersten Reichsbeh?rden an, das RKW "in geeigneter Weise und nachhaltig zu f?rdern". Seine Aufgabe sei es "alle auf die technischen Zusammenh?nge der Produktion sich beziehende Rationalisierungsarbeiten, soweit sie sich auf die Betriebe beziehen, [zu] erfassen zusammenleiten und in die Bahnen unmittelbarer Wirksamkeit [zu] lenken." (Schreiben des Reichswirtschaftsministers vom 22.10.1921)

Das RKW war also so etwas wie ein "Dachverband" f?r eine Reihe sogenannter Rationalisierungstr?ger, beispielsweise den Ausschuss f?r wirtschaftliche Fertigung AWF. Ab 1926 erhielt das RKW Mittel aus dem Reichsetat, die es zu einem gro?en Teil an diese etwa 30 Aussch?sse und K?rperschaften weitergab und deren Arbeitsergebnisse es ver?ffentlichte.

1932 gab es bereits 150 Aussch?sse und Arbeitsgemeinschaften, in denen etwa 4.000 Ehrenamtliche arbeiteten. Die ?Gemeinschaftsarbeit? f?hrte alle am Gegenstand Interessierten ehrenamtlich zusammen und sie entwickelten gemeinsam L?sungen. Sie kam in den 1920er Jahren zu einer ersten Bl?te und ist bis heute ?blich in Organisationen wie dem DIN oder der AWV, die damals ebenfalls unter dem Dach des RKW agierte.

Dem Kuratorium geh?rten knapp 200 Personen an, das ?Who is who? der Industrie in der Weimarer Republik, neben den Geheimen Kommerzienr?ten, Generaldirektoren und Fabrikbesitzern auch Wissenschaftler, Vertreter von Verb?nden und Ministerien. 1926 geh?rten sieben Gewerkschaftler dazu und eine einzige Frau: Charlotte M?hsam-Werter von der Zentrale der deutschen Hausfrauenvereine von Gro?-Berlin. Ja, auch Hauswirtschaft l?sst sich rationalisieren, bis in die 1960er Jahre gab es dazu Empfehlungen vom RKW.

Die Idee und ihre Wirkung

Die Wurzeln der Rationalisierungsbewegung sind viel ?lter als das RKW: Normierung, Standardisierung, Typisierung gibt es, seit Menschen wirtschaftlich t?tig sind. Flie?b?nder f?hrten die Schlachth?fe in Chicago schon Mitte des 19. Jahrhunderts ein. Das f?r die Rationalisierungsbewegung wichtige Buch ?Wissenschaftliche Betriebsf?hrung? von Frederik Winslow Taylor erschien 1911. Zusammen mit der maschinellen Produktion und dem Fabriksystem waren die Voraussetzungen f?r Massenproduktion gegeben, auf die die Rationalisierungsbewegung vor allem abzielte. Neu war die Vehemenz, mit der das Prinzip der m?glichst effizienten Produktion seit dem Ende des Ersten Weltkriegs propagiert wurde.

F?r das RKW war der Fordismus die wesentliche Quelle: Henry Ford hatte Taylors Ideen studiert, installierte Flie?b?nder in seiner Fabrik und hat mit seinem einzigen Produkt, dem Kleinwagen "Thin Lizzy", den es nur in schwarz gab, das Prinzip Standardisierung auf die Spitze getrieben. Fords Autobiografie, 1922 erschienen, galt manchem als ?Evangelium der Hochmoderne? (R. Hachmann, 1996). Zu Fords Autofabriken pilgerten die deutschen Rationalisierer nach dem Ersten Weltkrieg, 1925 auch Carl K?ttgen, Generalbevollm?chtigter und Freund des RKW-Vorsitzenden C.F. von Siemens. Sein Bericht ?ber die Reise ?Das wirtschaftliche Amerika? ist so etwas wie das ?Manifest des RKW?. Aber die sozial- und gesellschaftspolitischen Implikationen, beispielsweise hohe L?hne, die Ford zahlte, damit seine Arbeiter sich seine Autos leisten konnten, fanden bei deutschen Unternehmern  keinen Widerhall. Dabei war dies Voraussetzung f?r die volkswirtschaftliche Wirkung der Rationalisierung, die das RKW wollte:

?Steigerung des Volkswohlstands durch Verbilligung, Vermehrung und Verbesserung der G?ter,?

so Gesch?ftsf?hrer Hans Hinnenthal 1927. In Deutschland blieben die Reall?hne niedrig und die Arbeitslosigkeit relativ hoch, auch in den "guten" Jahren der Weimarer Republik.

Hauptt?tigkeit des RKW war das Ver?ffentlichen der Ergebnisse aus den Aussch?ssen und Arbeitsgemeinschaften, zum Beispiel in der Monatsschrift RKW-Nachrichten, ?ber die Schriftenreihe RKW-Ver?ffentlichungen und das Handbuch der Rationalisierung (HdR), das von 1928 bis in die 1970er Jahre immer wieder neu aufgelegt wurde. Aber die Wirkung blieb bescheiden: Flie?arbeit f?hrten nur wenige Unternehmen ein, bis 1930 gab es sch?tzungsweise 80.000 Flie?- und Bandarbeitspl?tze, etwa f?r ein halbes Prozent der Besch?ftigten in Gewerbebetrieben (J. B?nig, 1993).

Wirtschaftliche Verwaltung

Aus der Erkenntnis heraus, dass f?r eine "echte" Rationalisierung nicht nur die Produktion, sondern auch die vor- und nachgelagerten Bereiche die Prinzipien der Rationalisierung anwenden m?ssten, entstand 1926 die Arbeitsgemeinschaft f?r wirtschaftliche Verwaltung AWV. Eines ihrer wichtigsten Themen war anfangs die Einheitsbuchf?hrung, die auf dem Kontenrahmen aufsetzte, den Professor Eugen Schmalenbach f?r den AWV-Ausschuss Rechnungswesen entwickelt hatte. Die betriebswirtschaftliche Rationalisierung spielte ab den 1930er Jahren eine gro?e Rolle und ganz besonders nach der Wiedergr?ndung in den 50er Jahren.

Der Mensch und die Rationalisierung

In der Definition des Reichskuratoriums f?r Wirtschaftlichkeit fehlt das Wort Mensch. Vermutlich ist es vergessen worden, weil es keine so wichtige Rolle mehr spielt. ? Berufsfreude zu pflegen ist unter diesen Umst?nden schwer."

schrieb der Journalist Siegfried Kracauer 1930 in seinem Essay ?Die Angestellten?. Und der neue RKW-Gesch?ftsf?hrer Otto Schaefer gab selbstkritisch zu, ?da? man im RKW zu sehr f?r die Arbeitgeber und zu wenig f?r die Arbeitnehmer rationalisiert habe.? 1931 war die RKW-Tagung ?Der Mensch und die Rationalisierung? Auftakt f?r die Arbeiten zum Thema Mensch. Das Verst?ndnis von Mitarbeitenden blieb jedoch sehr funktional: Es ging um die ?Bestenauswahl? bei der Ausbildung und Stellenbesetzung. Gesucht wurden Arbeiter, die sich optimal in das R?derwerk der Fabrik einpassen lie?en. Es war klar, dass der Mensch der Rationalisierung zu dienen habe. Der Schwerpunkt ?Bestgestaltung der Arbeit? widmete sich einerseits dem Gesundheits- und Arbeitsschutz, dessen wirtschaftliche Bedeutung verstanden wurde. Es galt aber auch, mit ?Psychotechnik? St?rfaktoren f?r eine optimale Leistungserbringung auszuschalten. Aufgabe einer ?vern?nftigen psychologischen Rationalisierung ist also nicht Kr?ftesparen und Arbeitslosenunterst?tzung, sondern die richtige, den Kr?ften angemessene Arbeit zu schaffen und die Arbeit richtig [zu] gestalten.? (RKW, 1931)

Aus den Anf?ngen entwickelte sich ein sehr breites Arbeitsgebiet ?Mensch und Arbeit?, das das RKW mangels geeigneter ?Rationalisierungstr?ger? weitgehend selber bearbeitete. Bis heute begleitet der Beirat ?Mensch und Arbeit? die RKW-Arbeiten.

Auch interessant

Neuanfang und Produktivit?tszentrale

1950 entstand das RKW neu als Rationalisierungs-Kuratorium der Deutschen Wirtschaft e.V. Es half dabei, den Mittelstand in Westdeutschland wettbewerbs…

Neuanfang und Produktivit?tszentrale

Neue Sichtweisen und Globalisierung

1971 straffte das RKW seine Struktur. Mit der ?lkrise 1973 ver?nderten sich Fragestellungen und Aufgaben des RKW.

Neue Sichtweisen und Globalisierung

Rationalisieren bei begrenztem Wachstum

Unter diesem Titel veranstaltete das RKW im M?rz 1983 in Frankfurt einen Kongress. Der Titel gab auch die Grundstimmung der Jahre wieder: S?ttigung de…

Rationalisieren bei begrenztem Wachstum