?ber 70 Jahren bietet das RKW den Sozialpartnern eine Plattform f?r Kooperation und Dialog. Seit 1950 geh?ren die Gewerkschaften zu den Tr?gern des RKW. Die sozialpartnerschaftliche Ausrichtung ist ein Alleinstellungsmerkmal des RKW. Keine andere Organisation, die sich die Sozialpartnerschaft auf die Fahnen schreibt, kann auf eine so lange Tradition zur?ckblicken.

Neuanfang mit Arbeitnehmern und Arbeitgebern

Die Aktivit?ten der RKW-Neugr?nder in der Bizone 1947 bis 1950 richteten sich auch auf die Arbeitnehmerseite ? ganz im Sinne der USA, die den Marshallplan mit der Beteiligung aller am Wirtschaftsgeschehen vorbereiteten. In Erich Potthoff fanden sie einen jungen Mitstreiter, der eine Br?cke zwischen Gewerkschaften und ?altem? RKW schlagen konnte, denn er baute das wirtschaftswissenschaftliche Institut der Gewerkschaften (heute WSI) auf. Und vor dem Krieg war er Assistent von Professor Eugen Schmalenbach, der seinen Kontenrahmen im RKW entwickelt hatte. In den Vorstand des neuen RKW wurde von den Gewerkschaften Adolf Jungbluth entsandt. Er war schon vor dem Krieg im Metallarbeiterverband aktiv und Betriebsrat gewesen. 1948 wurde er auf Vorschlag von Hans B?ckler Arbeitsdirektor der Salzgitter H?ttenwerke AG.

Die Gewerkschaften, die prinzipiell rationalisierungsfreundlich sind, hatten dem Marshallplan zugestimmt. Da das RKW an dessen Umsetzung beteiligt war, war ihre Mitarbeit eine logische Folge. Aber sie kn?pften die Zusammenarbeit an Bedingungen. In einer Erkl?rung der Gewerkschaften hie? es bei der Mitgliederversammlung 1950:

?Die gewerkschaftlichen Vertreter sehen ihre Aufgabe bei der Mitarbeit im RKW darin, die Ber?cksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Wechselwirkungen von betrieblicher und ?berbetrieblicher Rationalisierung zu erreichen.? Wirkungsvolle Rationalisierung m?sse ? die h?chstm?gliche Erzeugung verbinden mit steigender Kaufkraft und Vollbesch?ftigung, um eine Hebung des allgemeinen Lebensstandards ohne eine st?rkere Beanspruchung der menschlichen Arbeitskraft zu erreichen. ? Die Anerkennung dieser Grunds?tze durch das RKW ist Voraussetzung f?r die Mitarbeit der Gewerkschaften.?

Die Satzung des RKW sah eine parit?tische Besetzung des Leitungsgremiums vor, urspr?nglich mit je zw?lf Vertretern der Wirtschaft, der Gewerkschaften, der Verwaltung sowie der Wissenschaft und Fachwelt (Satzung von 1951), die jeweils das Vorschlagrecht hatten. Sp?ter wurde die Zahl reduziert und zugleich f?r die Arbeitgeberseite genau festgelegt, welche Organisation einen Vertreter benennen konnte ? ein eher ungew?hnliches Verfahren in Mitgliedervereinen. An der Spitze des Vereins stand immer ein Vertreter der Wirtschaft, ein Stellvertretender kommt bis heute von der Arbeitnehmerseite.

Auf der Seite der Arbeitgeber unterst?tzte der BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) von Anfang an das RKW, denn auch die Mitglieder des RKW kamen in erste Linie aus der Industrie. In den ersten Jahren geh?rte der BDI sogar zu den Geldgebern. Die BDA (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverb?nde) ist nachweislich seit 1956 im Vorstand vertreten.

Der Beginn der Sozialpartnerschaft im RKW

Am 27. September 1955 veranstaltete das RKW eine ?ffentliche Kundgebung, die vor allem dem Bekenntnis zur Sozialpartnerschaft dienen sollte. In seiner Begr??ung nannte der RKW-Vorsitzende Carl Knott das RKW

?eine der seltenen Plattformen ? vielleicht die einzige ? auf der Regierung, Wirtschaft und die Gewerkschaften, zwar nicht ohne Meinungsverschiedenheiten, aber doch eintr?chtig und zielbewusst zusammenarbeiten?.

Er bezeichnete dies als einen Segen f?r die deutsche Wirtschaft. Als Erster sprach der Pr?sident des BDI, Fritz Berg, der es besonders begr??te, dass die Gewerkschaften auf der Plattform des RKW mitarbeiten. Es folgte der Pr?sident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Joseph Wild, der angesichts der Arbeitskr?fteknappheit alle Betriebe, auch die kleinen, zu Rationalisierungsanstrengungen aufrief. Ludwig Rosenberg, Mitglied des Bundesvorstands des DGB, zeigte sich ?berzeugt, dass die Rationalisierung ?dem Wohlstand der Menschheit? dienen k?nne, wenn sie in gemeinschaftlicher Arbeit angewandt w?rde. Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard schloss mit den Worten, ?Rationalisierung [ist] das Mittel, den Menschen wahrhaft zu befreien.?

Die Tagung verdeutlichte auch die Verschiebung des Rationalisierungs-Verst?ndnisses von der Technik und Organisation hin zu Fragen von Mensch und Arbeit. Sie bildeten in den kommenden Jahren einen zentralen Arbeitsschwerpunkt, nicht nur wegen der Aufgaben als Produktivit?tszentrale. Entsprechend manifestierte sich die Zusammenarbeit der Sozialpartner vor allem im Beirat Mensch und Arbeit (zwischen 1964 und 2007 ?Beirat Arbeits- und Sozialwirtschaft? ASW). Schon die 1951 gegr?ndete Rationalisierungs-Gemeinschaft Mensch und Arbeit hatte, anders als alle elf anderen Rationalisierungs-Gemeinschaften, zwei Obleute: Den Gewerkschafter Jungbluth und Gustav Frenz, Generaldirektor der Werkzeugmaschinenfabrik Schiess. An diese Tradition kn?pfte der Beirat an, er hat bis heute als einziger der RKW-Beir?te zwei Vorsitzende von DGB und BDA hat, die alternierend die Sitzungen leiten.

In den anderen Fachbeir?ten (au?er im Fachbeirat Gr?ndung) des RKW sind seit etwa 1970 die Gewerkschaften ebenfalls vertreten, das war nicht immer bei allen so. Auch in den Vorst?nden fast aller RKW-Landesvereine sind Gewerkschaften vertreten. Die Gesch?ftsf?hrung des RKW bestand bis 1998 aus mindestens zwei Personen, von denen eine von der Gewerkschaftsseite kam.

Auseinandersetzungen um die Sozialpartnerschaft im RKW

Eine einflussreiche Rolle bekamen die Sozialpartner, als das RKW ab Mitte der 1950er Jahre im Rahmen der Produktivit?tsprogramme der Bundesregierung Projektantr?ge begutachtete. Voraussetzung f?r die Bewilligung war die Beteiligung der Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter im Unternehmen an der Umsetzung. Folgerichtig wurden aus den Produktivit?tsprogrammen auch Lehrg?nge f?r Gewerkschafter gef?rdert, die die betrieblichen Ma?nahmen zur Produktivit?tssteigerung verstehen und mittragen sollten. Im Gesch?ftsbericht 1957/58 begr??te die Gesch?ftsf?hrung, dass

?in den Arbeitskreisen des Bereichs Mensch und Arbeit die durch die Mitarbeit von Vertrauensleuten der Unternehmer wie der Gewerkschaften sichergestellt ist, dass die beiden Sozialpartner die Arbeitsergebnisse gebilligt haben, bevor sie in die Betriebspraxis gelangen.?

Die Zusammenarbeit der Sozialpartner verlief allerdings keineswegs immer konfliktfrei. Nur ein Beispiel: Als der DGB zum 1. Mai 1955 eine Kampagne f?r die 40-Stunden-Woche startete, verbreitete das RKW am selben Tag eine Erkl?rung, in der es den ablehnenden Standpunkt der Arbeitgeber einnahm (abgedruckt in Rationalisierung 1955, Heft 8, S. 193). Gestritten wurde um Stellen und Budgets, eifers?chtig wurden die Projekte der anderen Fachbereiche be?ugt, angeblich w?rden sie eher vom BMWi bef?rwortet. Vor allem, nachdem das Thema Automatisierung an Fahrt gewann, wuchsen die Eifers?chteleien. 1971 entz?ndete sich ein Streit dar?ber, ob der DGB ein Vorschlagsrecht f?r die Abteilungsleitung der ASW h?tte. Tats?chlich wurde dieses von der Gesch?ftsf?hrung best?tigt.

Als ab 1972 die fetten Jahre des Wirtschaftswunders vorbei waren und dies mit sinkenden Etats des Bundes f?r die F?rderung von Rationalisierungs-Projekten einherging, gewannen die Auseinandersetzungen an Sch?rfe. Vor allem die Sozialpartnerprojekte nahm der Bundesrechnungshof genauer unter die Lupe und wollte beispielsweise Schulungen von Gewerkschaftsfunktion?ren durch vom RKW vergebene Zuwendungen des Bundes nicht mehr akzeptieren. 1995 kam das endg?ltige Aus f?r die Sozialpartnerprojekte, eigene Projektmittel hatte das RKW schon seit 1983 keine mehr.

Alleinstellungsmerkmal Sozialpartnerschaft

Immer wieder wurde die Frage gestellt, ob denn die Sozialpartnerschaft im RKW ?berhaupt noch gewollte sei. Die Gewerkschaftsvertreter drohten bei Auseinandersetzung ?fters damit, die Zusammenarbeit einzustellen. Aber letztlich blieben sie dabei, weil die Konsensorientierung bei allen Zwistigkeiten grunds?tzlich nie in Frage gestellt wurde, von keiner Seite. Im Gegenteil: Das BMWi und auch das Arbeitsministerium bekannten sich immer wieder dazu. Am 19. M?rz 1979 beispielsweise, bei der Vorstellung des RKW-Handbuchs Personalplanung betonte das BMAS in der Pressekonferenz, von welcher sozialpolitische Bedeutung die Herausgabe als ?gemeinsame Arbeit? sei, das sei ein Novum auf dem Feld. Und von 1974 bis 1980 war ein urspr?nglicher Gewerkschaftsvertreter Vorsitzender des RKW e. V.: Erich Potthoff, inzwischen Vorsitzender des Vorstands der WIBERA Wirtschaftspr?fungsgesellschaft.

Vorstand und Gesch?ftsf?hrung wussten ? und wissen bis heute ?, dass die gelebte Sozialpartnerschaft im RKW ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal war und ist. Gutachter, Evaluatoren, BMWi und nicht zuletzt der Deutsche Bundestag best?tigen dem RKW immer wieder, welchen hohen Wert die Sozialpartnerschaft im RKW hat.

Immer wieder wurde ?berlegt, sie noch deutlicher nach au?en zu zeigen. Aber vielleicht sind es gerade die ?ger?uscharme? Zusammenarbeit und ihre praktischen Arbeitsergebnisse, die das Besondere ausmachen. Und auch wenn heute viele Initiativen und Organisationen sozialpartnerschaftlich aufgestellt sind, k?nnen sich das RKW und die Sozialpartner im RKW darauf berufen, zu den Pionieren der Zusammenarbeit zu geh?ren.

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